Hatte Gelbknopf seine zum Teil prahlerische Lebensgeschichte zu Ende erzählt, schlossen wir meist für einen Moment unsere Augen. Wir erlebten sein früheres Leben in Gedanken noch einmal mit.
Ein lautes Niesen weckte uns dann meist aus unseren Träumen. Blauknopf hatte mal wieder Schnupfen. Als Ältester von uns hatte er lange, viel zu lange in einem Nähkästchen gelebt. Seitdem war Blauknopf oft erkältet. Er tat uns wirklich leid.
“Erzähle uns noch einmal, wie du zu Marie gekommen bist, bitte!”, baten wir ihn. Wenn er nicht mehr niesen musste, begann Blauknopf zu erzählen:
“Bis Marie mich entdeckte, interessierte sich nie jemand für mich. Wer will schon einen blauen Knopf an seinem Hemd oder seiner Tasche haben! Eines Tages landete ich in einem Nähkästchen. Wann das war und wie ich dahin gekommen bin, weiß ich nicht mehr. Ich selbst dachte ja immer, ich sei einmalig mit meinen vier Augen und meiner kräftigen blauen Farbe. Die anderen Knöpfe lebten gemeinsam in einer Schachtel, ich aber wurde übersehen. So verbrachte ich die Zeit zwischen Nadeln, Scheren, Zwirn und Fäden in diesem Nähkästchen.”
“Aber woher hast du deinen Schnupfen?”, unterbrachen wir gewöhnlich Blauknopfs Gedanken.
“Ihr müsst euch vorstellen, die Frau, der das Nähkästchen gehörte, war sehr faul. Sie nähte nie, sondern kaufte sich die Sachen lieber neu”, fuhr Blauknopf fort. “Ganz selten öffnete sie das Nähkästchen, in dem ich mich befand. Uns allen fehlte Luft und Tageslicht. Anfangs huschte immer noch einmal eine neue Nadel oder ein Faden in das Nähkästchen. In diesen Momenten hob sich der Deckel, und wir drängten uns alle zu der Öffnung hin. Irgendwann aber blieb der Deckel für immer zu. Dicht aneinander gedrängt auf engstem Raum warteten wir einfach nur noch ab. Zu Beginn versuchten einige der Nadeln, gute Plätze in der Enge zu bekommen. Sie dachten, sie seien das Wichtigste für einen Schneider. Mit seinem bestimmten Auftreten und seiner Lebenserfahrung brachte der große Nahttrenner aber alle wieder zur Vernunft. So gab es im Laufe der Zeit immer weniger Streit.”
Wir bedauerten Blauknopf bei diesen Worten, hatte er doch von uns allen das bisher eintönigste Dasein geführt. Wegen diesem eher langweiligen Leben besaß er aber auch Eigenschaften, die wir alle an ihm schätzten. So überlegte Blauknopf erst, bevor er etwas sagte. Er hatte Geduld und half immer dem anderen. Darüber hinaus konnte er sehr gut zuhören und wusste stets einen Rat.
“So plätscherte mein Leben vor sich hin, ohne dass ich mich in dem Kästchen vom Fleck rührte”, lauschten wir weiter Blauknopfs Worten. “Eines Tages aber hob sich dann doch der Deckel des Nähkästchens. Vor Freude über die Sonnenstrahlen und die klare Luft kullerten wir alle auf den Fußboden. Jeder von uns blieb irgendwo im Raum liegen. Ich hatte das Gefühl, ich sei durch meine wiedergewonnene Freiheit um ein Vielfaches gewachsen. Gerade hatte ich mich von den Umdrehungen erholt, da hoben mich Kinderhände auf. Es waren Maries Hände. ‚Sieh mal Mama, was für einen wunderschönen meerblauen Knopf deine Tante in ihrem Nähkästchen aufbewahrt hat. Er besitzt sogar vier Augen.’ Mit diesen Worten begrüßte mich Marie in meinem neuen Leben.”
Blauknopf strahlte über das ganze Gesicht und wollte Grünknopf nun das Wort übergeben, damit er uns seine Geschichte erzählte.